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Zoophilie und Veganismus – Die speziesistische Debatte

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Diesen Beitrag möchte ich einmal mit einem Scherz beginnen. Als die Neufassung des Tierschutzgesetzes verfasst wurde und die Allgemeinheit der Meinung war, Sex mit Tieren sei verboten, besuchte ich eine Veranstaltung von Hagen Rether, seines Zeichens pro Vegan und nach eigenen Aussagen jemand, der so lange Kabarett machen werde, bis Fleischessen endlich verboten werde. Dieser sprach das Thema an und stellte sinngemäß die Frage: „Haben sie mal eine Kuh gefragt, ob sie lieber geschlachtet oder gevögelt werden will? Ich bin der Meinung, die Kuh würde lieber vögeln!“

Das Thema veganes Leben oder vegetarisches Leben ist im Zeta-Verein ein Thema, welches immer wieder besprochen und diskutiert wird. Wir bekamen dazu unter anderem eine Email:

„Wer ernsthaft behauptet, Tiere so sehr zu respektieren und zu lieben, dass er Sex mit ihnen haben möchte (und die auch mit ihm), der muss vegan leben oder er outet sich schlichtweg als Heuchler, der nur eine Legitimation dafür sucht, Tiere zu missbrauchen. Wer behauptet, Tiere müssen als eigenständige Lebewesen mit eigenem Willen, Charakter und eigener Sexualität anerkannt werden, muss das auch in Bezug auf „Nutztiere“ leben, nicht nur bei denen, die er vergewaltigt.“

Aus diesem Anlass möchte ich einmal diesen Diskurs versachlichen und die aus meiner Sicht wertvollen Gedanken aus dieser doch sehr tendenziösen Mail herausarbeiten und die verschiedenen Positionen klären.

Was ist Speziesismus und was hat das mit Zoophilie zu tun?

Speziesismus ist ein Wort, welches vom australischen Ethiker Peter Singer geprägt wurde. In der Tradition Jeremy Benthams prägte er dieses Wort, um darzustellen, wie in unserer heutigen Gesellschaft Lebewesen diskriminiert, ausgebeutet und allgemein als Lebewesen zweiter Klasse betrachtet würden, allein aus dem Grund, dass sie eine andere Spezies hätten.

In seinen Büchern „Praktische Ethik“ und „Animal Liberation“ erläutert er diese Ansicht, da für ihn als Utilitarist (Person, die dem moralischen Modell folgt, dass es moralisch schlecht sei, Leid zu erzeugen und moralisch gut, möglichst viel Freude zu erzeugen) die Eigenschaft, dass ein Wesen in der Lage sei, Leid zu empfinden, die einzige bedeutsame Eigenschaft sei, die ein Wesen brauche, um moralisch in einer Güterabwägung das Recht auf Berücksichtigung seiner Interessen zu haben.

Andere Modelle wie Intelligenz, Sprache, Geschlecht oder Rasse verwirft er als mögliche Grenze, denn dies sei mit Sicherheit auch Diskriminierung, intelligenzgeminderte, sprachbehinderte, Männer oder Frauen oder Personen anderer Herkunft hätten doch sicher auch den gleichen Stellenwert in einer Güterabwägung verdient, also müssten eben auch Tiere den gleichen Standpunkt in einer Güterabwägung haben. Natürlich benötige ein Schwein kein Wahlrecht, aber wenn die Interessen eines Schweines schwerwiegender seien (beispielsweise beim Luxus des Fleischessens gegen die Qual der Schweine in der Fleischproduktion) seien die Interessen des Schweines vorzuziehen.

Dies ist eine Argumentation, die sowohl von Veganern als auch von Zoophilen verwendet wird. Denn Zoophile sagen eben auch, dass ein Tier damit in der Interessenabwägung ein Recht auf Sexualität haben solle und wenn diese im Einvernehmen der beiden teilhabenden Partner geschehe und damit kein Leid erzeugt werde, so sei diese eine antispeziesistische Haltung und Zoophilie damit moralisch gut und nicht verwerflich. Veganer und Vegetarier nutzen diese Argumentation natürlich auch, um damit zu zeigen, wie verwerflich der Konsum von Fleisch bzw. tierischen Gütern sei.

Interessanterweise hat sich Peter Singer auch in seinem Artikel „Heavy Petting“ durchaus tolerant gegenüber Zoophilie gezeigt. Eben genau mit dieser Argumentation, dass ein Tier, wenn es seine sexuellen Gelüste mit Menschen befriedigt, kein Leid entstehe, sondern Freude, daran nichts Falsches zu erkennen sei.

Vergleich der Email mit dem Antispeziesismus:

Die Email ist sehr deutlich in diese Richtung zu verstehen. Wer behaupte, ein Tier zu lieben und behaupte, ein Tier sei ein eigenständiges Wesen, der müsse auch die ausbeuterische Praktik, ihre Produkte zu essen, einstellen. Denn sonst sei er inkonsequent und offenbare so, dass er die Moral nur nutze, wenn es ihm in den Kram passe, um sich selbst zu befriedigen, aber wenn eine andere Befriedigung des Körpers (Fleisch essen) anstehe, die Moral egal sei.

Dieser Gedanke ist logisch nachvollziehbar und wird tatsächlich von vielen Zoophilen auch so gedacht. Wer antispeziesistische Gedanken verwendet, um seine Zoophilie zu rechtfertigen, müsse diese Gedanken auch zu Ende denken. Und das tun sie auch. Wenn man sich unter Zoophilen umhört, wird man auf viele Vegetarier und Veganer treffen, die es genauso sehen. Ich habe keine Studie darüber, allerdings hat sich mir der Eindruck erschlossen, dass in zoophilen Kreisen außerordentlich viele Menschen vegan oder vegetarisch leben. Viele Zoophile leben genau so! Sie sehen Tiere als Lebewesen an, deren Interessen den gleichen Stellenwert haben sollten, wie die der Menschen. Deswegen verzichten sie auf Fleischkonsum oder auf den Konsum tierischer Produkte.

Aber genau hier liegt die Krux der Argumentation der Email. Wenn der Autor dieser Email antispeziesistische Argumente verwendet, muss er ebenfalls logisch voraussetzen, dass die Grundlage dieser Argumentation wahr ist. Das bedeutet also, wenn man antispeziestistisch argumentiert, dann basiert man seine Argumentation auf den Utilitarismus, der besagt, dass alles gut sei, was möglichst viel Freude und möglichst wenig Leid erzeuge. Wenn dies aber wahr ist, dann muss logisch daraus folgen, dass Zoophilie, wenn dadurch kein Leid entsteht, keinerlei moralisches Problem darstellt. Im Gegenteil, wenn die sexuellen Wünsche eines Hundes oder Pferdes befriedigt werden, empfindet es Freude. Diese würde es nicht empfinden, wenn das nicht passiert. Damit wäre Zoophilie nicht nur moralisch unproblematisch, sondern sogar moralisch geboten!

Doch was ist die Alternative?

Oft wird in der Debatte die „Würde des Tieres“ angesprochen.

Dabei wird oft vergessen, dass der Begriff der Würde durch Immanuel Kant geprägt ausschließlich auf den Menschen abzielt. Der Mensch habe die Vernunft und damit einen freien Willen, da er abstrakt denken könne und so als sich selbst gesetzgebende Entität Regeln setzen könne, die nach Logik und damit unabhängig von weltlichen Einflüssen funktionierten. Gefolgt ist ihm damit Descartes, der postulierte, Tiere seien Maschinen.

Nach dieser Argumentation funktioniert der derzeitige gesellschaftliche Umgang mit Tieren. Sie werden ausgebeutet und gegessen, für ihre Milch früh ihres Nachwuchses beraubt und millionenfach getötet, da sie als „Wesen ohne unsterbliche Seele“ kein Lebensrecht hätten.

Ich frage mich, ob die „Tierschützer“, die dieses Wort nutzen, wirklich einmal darüber nachgedacht haben, woher diese Worte kommen oder ob sie einfach ein Wort brauchten, das die Rechte der Tiere so beschreibt, wie sie sie sehen, auch wenn sie dafür keine formal-ethische Begründung vorweisen können, weswegen sie vage ein Set aus Regeln „Würde“ nennen und ihre Ansichten darunter subsumieren.

Sind wir zoophilen also Heuchler?

Ja und nein. Ich persönlich esse kein Fleisch, da ich Singers Ansichten teile. Ich bekomme die wenigen Eier, die ich esse, von meinem Bruder, der selbst Hühner hält, selbst Vegetarier ist und der die Hühner, die er hält, auch, wie auf einem Gnadenhof, weiter ein glückliches Leben führen lässt, wenn sie keine Eier mehr legen. Vor kurzem hat er sogar Hühner von anderen Haltern in seine Haltung übernommen, als diese aufhörten, Eier zu legen, um ihnen einen angenehmen Lebensabend zu bieten. Da werden keine Küken geschreddert und keine Hennen geschlachtet, weil sie nicht mehr „produzieren“.

Wenn man davon absieht, dass es noch zahlreiche gute Gründe gibt, kein Fleisch zu essen und auch eventuell auf andere tierische Produkte zu verzichten (oder sie bei anständigen Bio-Bauernhöfen zu kaufen? Dies wäre eine sachliche Debatte, die eventuell geführt werden könnte), wäre es konsequent für eine zoophile Person, auf Fleisch zu verzichten. Moralisch wäre dies konsequent und richtig und es gibt keine korrekten formal-ethischen Begründungen, die dem widersprechen, wenn man voraussetzt, dass diese Person antispeziesistisch eingestellt ist.

Warum tun es dann nicht alle? Weil sie Menschen sind und Menschen Fehler machen. Dies ist keine moralische Rechtfertigung, denn es gibt keine moralische Rechtfertigung für Fehler. Fleischkonsum wird in unserer Gesellschaft immer noch von Kind auf eindoktriniert. Im Kindergarten sehen wir Bilder von „glücklichen Kühen auf dem Bauernhof“ und glauben es. Wie sollten wir es nicht glauben? Wir bekommen Wurst in Bärchenform oder mit lächelnden Gesichtern und Grillen ist ein Hobby geworden. Die Eltern eines Freundes sagten einmal zu diesem Freund: „Komm mal zu uns, dann kannst du wieder etwas anständiges Essen!“

Neue Gewohnheiten zu etablieren, ist schwierig. Der „innere Schweinehund“ ist etwas, worüber zahlreiche Bücher geschrieben wurden und vielen Menschen (und damit auch Zoophilen) ist oft nicht klar, wie gut es mittlerweile möglich ist, vegan oder vegetarisch zu leben. Manche schaffen es eben nicht, über den eigenen Tellerrand zu schauen und etwas für Lebewesen zu tun, die sie nicht persönlich kennen oder zu denen sie keine Verbindung haben.

Das moralisch Richtige zu tun, ist schwer. Und den meisten fällt es noch schwerer, etwas für die zu tun, die sie nicht sehen, die keine emotionale Bindung zu ihnen haben. Sonst würden doch auch so viele Menschen spenden, damit es keinen Welthunger mehr gibt oder die Menschen endlich begreifen, dass es einschneidende Veränderungen braucht, damit eben nicht vorrangig fremde Menschen oder spätere Generationen unter dem Klimawandel extrem leiden.

Aber daraus zu schließen, dass Zoophile deswegen ihre Tiere vergewaltigen, also Gewalt verwenden, um ihre Tiere gegen ihren Willen sexuell zu missbrauchen, ist der falsche, logische Schluss. Dieses Ergebnis folgt logisch schlichtweg nicht aus der Fehlerhaftigkeit in Bezug auf den Genuss von Fleisch oder tierischen Produkten.

Um die Absurdität dieses Schlusses zu zeigen, folgt ein Analog: „Wer ernsthaft behauptet, Menschen zu lieben, so dass er mit diesen Sex haben möchte, darf nicht zulassen, dass es Klimawandel gibt oder Menschen hungern, oder er outet sich schlichtweg als Heuchler, der nur eine Legitimation dafür sucht, Menschen zu missbrauchen.

Leider ist es menschlich, denen, die man liebt, den Vorzug zu geben vor denen, die man nicht kennt. Dies trifft auch leider auf Zoophile zu. Das ist sicher moralisch nicht richtig, doch die Absurdität dieses analogen Beispiels sollte eigentlich deutlich machen, dass diese Logik nicht funktioniert. Nur weil ein Mensch nicht alles bis auf eine Grundversorgung an sterbende Kinder spendet, kann man nicht sagen, dass er damit einen Grund suche, seine Frau vergewaltigen zu wollen. So wie dieser Mensch seine Frau liebt und ihr das beste wünscht, so kann ein Zoophiler auch leider so kurzsichtig sein und seinen tierischen Partner lieben und sehr gut behandeln, auch wenn er oder sie nicht an die denkt, die weiter leiden und sterben.

Dabei ist zu betonen, dass dies keine moralische Rechtfertigung dieses Verhaltens ist, wie bereits oben geschrieben, gibt es keine formal-ethisch korrekte Begründung dafür, dass ein Speziesist manche Tiere liebt und andere nicht. Es ist lediglich falsch, dass der Einsender dieser Mail daraus logisch schließt, dass ein Zoophiler, der sich in dieser Art verhält, deswegen Tiere vergewaltigt oder eine Begründung dafür sucht, dies zu tun. Dieser Schluss ist logisch schlicht und ergreifend falsch. Das macht das Verhalten der Zoophilen, die weiter Fleisch essen, allerdings nicht moralisch richtig. Es ist nur nicht falsch, dass sie zoophil sind, es ist lediglich moralisch bedenklich, dass sie ihrem Ansatz nicht konsequent folgen und daher auch auf den Konsum von Produkten, die Tierleid zur Konsequenz haben, nicht verzichten.

Persönlicher Kommentar des Verfassers:

Ja, ich halte Fleisch essen, die Ausbeutung der Tiere für andere tierische Produkte und die Behandlung von Tieren in unserer Gesellschaft für falsch. Doch genau hier sollten wir eigentlich zusammenarbeiten, statt uns zu bekämpfen. Viele Zoophile sind Vegetarier, Veganer und aktiv im Tierschutz, ich habe in meinem Leben schon so viele Tierleben gerettet, dass ich es nicht mehr zu zählen vermag. Ich hoffe auch auf eine Zeit, in der diese Missstände behoben werden und Tiere endlich die ihnen moralisch zustehenden Rechte bekommen. Wie oben beschrieben, esse ich kein Fleisch und achte bei anderen tierischen Produkten sehr stark darauf, dass diese ohne Qual und Ausbeutung entstehen. Tierschutz und Zoophilie gehören für mich zusammen. Liebe Tierschützer, wir sitzen im selben Boot.

Der Beitrag Zoophilie und Veganismus – Die speziesistische Debatte erschien zuerst auf Das Blog des ZETA-Vereins.


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